EMV ist selten das primäre Thema zu Beginn eines Entwicklungsprojekts. In frühen Phasen stehen Funktion, Bauteilauswahl und PCB-Layout im Vordergrund. Werden EMV-Anforderungen jedoch nicht von Anfang an systematisch berücksichtigt, steigen die Kosten zur Fehlerbehebung im späteren Projektverlauf deutlich an.
In der Konzept- und Designphase lassen sich EMV-Aspekte meist mit geringem Aufwand berücksichtigen: durch geeignete Topologien, passende Bauteile, sinnvolle Partitionierung der Schaltung und grundlegende Layout-Regeln. Anpassungen in dieser Phase verursachen kaum Zusatzkosten, da sie Teil der normalen Entwicklungsarbeit sind.
Kosten der EMV-Maßnahmen im Produktphasenverlauf
Nach dem ersten Hardware-Build ändern sich die Rahmenbedingungen drastisch. Treten EMV-Probleme erst nach dem Aufbau der Leiterplatte oder im Rahmen von Vorprüfungen und Zertifizierungstests auf, sind Korrekturen deutlich aufwendiger. Layout-Änderungen, zusätzliche Filter, Abschirmmaßnahmen oder sogar ein Re-Design der Leiterplatte verursachen direkte Kosten für Entwicklung, neue Prototypen und erneute Tests. Hinzu kommen indirekte Kosten durch Zeitverzug und blockierte Ressourcen.
Besonders kritisch wird es, wenn EMV-Probleme erst in späten Phasen wie Design-Verifikation, Validierung oder kurz vor dem Produktrelease erkannt werden. In diesem Stadium führen EMV-Mängel häufig zu mehrfachen Iterationen von Hardware-Revisionen, Verzögerungen bei der Markteinführung oder im Extremfall zu Projektabbrüchen. Die Kosten steigen dabei nicht linear, sondern exponentiell mit jeder späteren Phase.
Die häufigsten EMV-Probleme beim Leiterplatten-Design
EMV-Probleme entstehen durch konkrete physikalische Effekte auf der Leiterplatte und an angeschlossenen Leitungen. Ursache sind schnelle Strom- und Spannungsänderungen, parasitäre Induktivitäten und Kapazitäten sowie ungünstige Rückstrompfade. Bestimmte Störquellen treten dabei immer wieder auf und lassen sich unabhängig von Anwendung oder Gerätekategorie beobachten.

Standardmodell einer industriellen Leiterkarte mit EMV-Einflüssen
IC Switching Noise
Beim Umschalten interner Logikstrukturen entstehen sehr schnelle Stromänderungen. Diese hohen di/dt-Werte erzeugen breitbandige Störungen, die direkt in Versorgungs- und Masseanschlüsse eingespeist werden. IC switching noise ist häufig der Ursprung vieler weiterer EMV-Effekte, da er sich über die gesamte Leiterplatte ausbreiten kann.
Transienten in der Versorgungsspannung
Durch parasitäre Induktivitäten in Leiterbahnen, Vias und Bondverbindungen reagiert die Versorgungsspannung empfindlich auf schnelle Laständerungen. Die Folge sind kurzzeitige Spannungseinbrüche oder Überschwinger auf Vcc. Diese Vcc transients beeinflussen das Schaltverhalten der ICs und erhöhen den Hochfrequenzanteil der Emissionen.
Störungen und Einflüsse von Clock-Signalen
Taktsignale besitzen steile Flanken und damit ein breites Spektrum an Oberwellen. Selbst bei vergleichsweise niedrigen Grundfrequenzen können Clock signal-Leitungen erhebliche elektromagnetische Störungen verursachen. Lange Leitungen, fehlende Referenzflächen oder fehlende Dämpfung verstärken diesen Effekt deutlich.
Ringung und Überschwingen durch Impedanzsprünge
Ringing entsteht, wenn die Leitungsimpedanz nicht zum Treiber oder Empfänger passt. Reflexionen führen zu Nachschwingern an den Signalflanken, die den Hochfrequenzanteil des Signals stark erhöhen. Diese zusätzlichen Frequenzanteile wirken sich direkt negativ auf das EMV-Verhalten aus.
Crosstalk zwischen Leiterbahnen
Bei dichtem Routing koppeln Signale kapazitiv und induktiv in benachbarte Leiterbahnen ein. Crosstalk zeigt sich als Störimpulse auf eigentlich ruhigen Signalen. Besonders kritisch ist dies bei parallelem Routing schneller Signale ohne ausreichenden Abstand oder fehlende Referenzführung.
Abstrahlung durch die Leiterplatte
Die Leiterplatte kann als Antenne wirken. Große Stromschleifen, unterbrochene Masseflächen oder resonante Kupferstrukturen führen dazu, dass hochfrequente Störungen direkt vom PCB abgestrahlt werden. PCB radiation ist häufig eine Folge ungünstiger Rückstrompfade und fehlender Flächenkontinuität.
Abstrahlung an Ein- und Ausgängen
I/O-Pins stellen eine direkte Kopplung zwischen internen Schaltvorgängen und der Außenwelt dar. Schnelle Signalwechsel an diesen Pins führen zu lokaler Abstrahlung. Ohne Dämpfung oder Filterung kann sich I/O Radiation schnell zu einem dominanten EMV-Problem entwickeln.
Kabel als Sendeantennen
Angeschlossene Kabel wirken als sehr effiziente Antennen. Gleichtaktstörungen, die vom PCB auf das Kabel gelangen, werden mit hoher Wirksamkeit abgestrahlt. Cable radiation ist eine der häufigsten Ursachen für das Nichtbestehen von EMV-Prüfungen, selbst wenn das PCB allein unauffällig erscheint.
Fazit
Die meisten EMV-Probleme lassen sich auf wenige, klar identifizierbare Störquellen zurückführen. Entscheidend ist nicht ein einzelner Effekt, sondern das Zusammenspiel von IC switching noise, Vcc transients, gestörten Signalen und der anschließenden Abstrahlung über PCB, I/Os und Kabel. Wer diese Zusammenhänge versteht, kann EMV-Probleme frühzeitig erkennen und gezielt vermeiden.

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