Der Begriff Software Defined Defence (SDD) dominiert aktuell die strategischen Zentralen von Rüstungskonzernen und Armeend und bezeichnet einen Ansatz, bei dem militärische Fähigkeiten primär durch Software bestimmt und weiterentwickelt werden. Anstatt Upgrades hauptsächlich durch neue Hardware zu erzielen, wird die Leistungssteigerung durch kontinuierliche Software-Iterationen erreicht
SDD ist somit ein fundamentales architektonisches und organisatorisches Prinzip moderner Operationen, das eine Entkopplung von Sensoren und Effektoren, von Software und Hardware sowie von Daten und spezifischen Anwendungen vorsieht – verbunden in daten-zentrierten, adaptiven Gefechtsnetzwerken . Mit anderen Worten werden bisher fest miteinander verbundene Komponenten getrennt betrachtet, um sie flexibler und kombinationsfähiger zu machen.
Software Defined Defence baut auf mehreren Grundelementen auf.
- So ändert sich das Verhältnis von Software zu Hardware dahingehend, dass technologischer Fortschritt bei Software deutlich schneller ist und software-definierte Funktionen immer mehr den operativen Vorteil bestimmen.
- Zweitens rückt ein datenorientierter Ansatz in den Vordergrund: Daten werden als strategische Ressource betrachtet, die über Systeme hinweg integriert und ausgewertet werden, um Information Dominance (Informationsüberlegenheit) zu erreichen.
- Drittens beinhaltet SDD einen menschenzentrierten Ansatz beim Systemdesign, z. B. durch API-basierte Workflows, die Bedienpersonal effektiv unterstützen.
- Viertens werden fortgeschrittene Software und KI als Kernfähigkeiten von Waffensystemen angesehen – sie sind also nicht bloß Beiwerk, sondern von Beginn an integraler Bestandteil bei Entwicklung und Upgrades
Laut BDLI wird Software zum „wesentlichen Enabler“ moderner militärischer Operationen. Die Fähigkeit, bestehende Systeme digital aufzurüsten und neue Systeme softwarezentriert zu entwickeln, gilt als entscheidend, um im Zeitenwende-Kontext die Bundeswehr schneller an ein sich wandelndes Gefechtsfeld anzupassen. SDD schafft die Voraussetzungen, um auf veränderte Bedrohungen nahezu in Echtzeit mit Software-Anpassungen statt langwierigen Hardware-Updates reagieren zu können. Verbesserungen der Fähigkeiten erfolgen dabei lageangepasst durch modulare, wiederverwendbare Software-Komponenten – anstatt große monolithische Systeme selten und teuer aufzurüsten. Inkrementelle Entwicklungsmodelle mit hoher Agilität und Flexibilität, wie sie in der zivilen IT üblich sind, können so auf militärische Systeme übertragen werden. SDD wird folglich als Schlüssel gesehen, um Multi-Domain-Operations (MDO) mit vernetzten, anpassungsfähigen Systemen überhaupt erst möglich zu machen und die Zusammenarbeit verschiedenster Systeme zu verbessern. So soll SDD die Fähigkeit zur Interoperabilität der Systeme untereinander massiv steigern und dadurch die Leistungsfähigkeit militärischer Organisationen signifikant erhöhen.
Während klassische Rüstungssysteme stark hardwarezentriert gedacht und geplant sind, rückt SDD die Software in den Mittelpunkt – als flexibel anpassbares, wiederverwendbares und über den gesamten Lebenszyklus betreutes Element. Der Hardthöhenkurier beschreibt in seinem Beitrag zu SDD diesen Wandel als Paradigmenwechsel, der tiefgreifende Folgen für Architektur, Beschaffung und Betrieb militärischer Systeme hat.
Im Kern bedeutet SDD: Fähigkeiten werden nicht mehr ausschließlich über neue Plattformen oder Hardware-Upgrades geschaffen, sondern zunehmend über Softwaremodule, die modular entwickelt und systemübergreifend eingesetzt werden. Damit verbunden ist die Möglichkeit, bestehende Systeme – auch Altsysteme – durch gezielte Softwareertüchtigung weiter nutzbar zu machen und zugleich schneller auf neue Bedrohungslagen zu reagieren.
Der Artikel betont, dass die digitale Ertüchtigung von Plattformen nicht nur ein Mittel zur Verlängerung von Lebenszyklen ist, sondern eine notwendige Voraussetzung, um auf die Dynamik moderner Bedrohungen adäquat reagieren zu können. In Zeiten hybrider Konflikte und zunehmend datengetriebener Einsatzführung wird die Fähigkeit zur schnellen, vernetzten Systemanpassung zum entscheidenden Faktor.
Ein zentraler Aspekt ist die Forderung nach agiler, inkrementeller Softwareentwicklung. Anstelle klassischer monolithischer Beschaffung sollen kleinere, iterative Schritte treten – mit dem Ziel, Fähigkeiten modular zu erweitern und schneller in den Betrieb zu bringen. Damit einher geht auch eine Veränderung in der Planung und im Produktverständnis: Softwarepflege, Plattformstrategie, Modularität und kontinuierliche Integration müssen von Anfang an mitgedacht – und mitfinanziert – werden.
Technologische Prinzipien von SDD
Ein SDD-Ansatz beruht auf mehreren technologischen Grundprinzipien, die sicherstellen sollen, dass Softwareänderungen schnell, effizient und breit wirksam umgesetzt werden können:
Entkopplung von Hardware und Software
Die IT-Plattform (Hardware) und die Anwendungslogik (Software) werden logisch getrennt, um beide weitgehend unabhängig voneinander nutzen und anpassen zu können. Einzelne Software-Module sollen in mehreren Systemen wiederverwendbar oder austauschbar sein. Diese offene Architektur ermöglicht es, neue Funktionen bereitzustellen, ohne das zugrundeliegende Gerät physisch ändern zu müssen. Verschiedene Waffensysteme können so auch gemeinsame Software-Bausteine nutzen, was Entwicklung und Integration beschleunigt.
Modulare Architekturen und offene Schnittstellen
SDD setzt auf modulare Software-Architekturen mit klar definierten Interfaces. Komponenten kommunizieren über standardisierte Schnittstellen, was eine plattformübergreifende Vernetzung vereinfacht. Offene Standards (z. B. die Software Communications Architecture im Funkbereich) stellen sicher, dass neue Module oder sogar externe Partner-Systeme eingebunden werden können, ohne proprietäre Hürden – ein Beispiel ist die SCA-Kompatibilität des Bundeswehr-SDR-Funksystems SVFuA. Dadurch steigt die Föderierbarkeit von Systemen in einem multinationalen Kontext (Stichwort Federated Mission Networking), d. h. die Fähigkeit, mit verbündeten Systemen nahtlos zusammenzuwirken.
Integration von KI und datengetriebene Ansätze:
Künstliche Intelligenz ist ein zentraler Treiber in SDD. KI-basierte Funktionen (etwa zur Bilderkennung, zur Musteranalyse von Radar-/Funksignalen oder zur Entscheidungsunterstützung) sollen schnell in die Systeme eingebracht und aktualisiert werden können. Dafür müssen KI-Modelle zügig mit neuen Daten nachtrainiert, getestet, zertifiziert und bis auf die taktische Ebene ausgerollt werden könnenbdli.de. Es sollte möglich sein, solche Modelle mit geringem Integrationsaufwand in der jeweiligen Plattform umzusetzen. Beispielsweise kann durch SDD die Auswertung der Daten aller Sensoren und Quellen (z. B. aus C4I-Systemen) für KI-Funktionen gebündelt werden, um Muster zu erkennen, die ein einzelnes System allein nicht sehen würde. Kurz: SDD fördert einen datenzentrierten Ansatz, der große Datenmengen (Big Data) und KI nutzt, um Informationsvorsprung zu gewinnen.
Agile Entwicklung und kontinuierliche Updates
Anstelle jahrelanger Hardware-Entwicklungszyklen ermöglicht SDD agile, iterative Software-Entwicklungsmethoden im Rüstungsbereich. Rapid Development & Deployment gehört zum Konzept: Software soll in deutlich kürzeren Zyklen entwickelt, getestet und regelmäßig in Betrieb genommen werden. oderne Methoden wie DevSecOps (Development + Security + Operations) können angewandt werden, um neue Features oder Sicherheits-Patches fortlaufend einzuspielen. Diese inkrementellen Updates halten Systeme stets aktuell und an neue Lageerfordernisse angepasst, anstatt auf große Versionssprünge warten zu müssen. Wichtig dabei sind Prozesse für eine schnelle und sichere Verteilung von Updates auf alle im Einsatz befindlichen Plattformen (z. B. via Funk oder über Wartungsteams), ohne die Einsatzbereitschaft zu gefährden.
Fazit
Software Defined Defence markiert einen tiefgreifenden Wandel im militärischen Systemverständnis. Statt starrer, hardwarezentrierter Systeme rückt die kontinuierlich anpassbare Software ins Zentrum. Modularität, KI-Integration, agile Entwicklung und offene Schnittstellen ermöglichen es, Fähigkeiten dynamisch zu erweitern und Systeme langfristig einsatzbereit zu halten. SDD ist damit nicht nur technologische Innovation, sondern strategische Notwendigkeit für Streitkräfte im 21. Jahrhundert.
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